Der Titel ist wieder hübsch elegisch "Des bleus à l'âme" (etwa: "Blaue Flecken auf der Seele") -, und Francoise Sagans neunter Roman ist auch wieder angenehm kurz, 208 Sei -- ten. Aber so abgeschlafft von zwei Jahrzehnten Nacht- und Strandleben wie die jetzt 37jährige Bestsellerin und ihre ehedem kregle Kumpanei sind nun auch ihre Helden.

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Seele mit blauen Flecken
"Ich habe gute Zähne, und wenn mir wer gefällt, dann geht es noch", bekennt sie. "Nur, ich habe kein Verlangen mehr."

Die Helden ihres soeben in Paris erschienenen Romans. Sébastien van Milhem und seine schöne Schwester Eléonore -- Sagan-Fans aus dem "Schloß in Schweden" schon bekannt -, haben außerdem auch kein Geld mehr. Sie sind nun um 40, in Paris und immer noch Nichtstuer.

"Jetzt muß ich jemanden finden, der sie ernährt und nicht lächerlich konventionell ist, wahrscheinlich muß es ein Ausländer sein", so schaltet sich die Autorin in den Gang der Handlung ein. Denn die bislang traditionelle Erzählerin Sagan bedient sich diesmal kleiner modernistischer Stil-Tricks: Sie helfen die Handlung dehnen und ermöglichen die Einfügung von Reflexionen -- vor allem über Francoise Sagan selbst.

Arbeiten sollen die Geschwister Sébastien und Eleonore aber trotzdem nicht. "Man hat mir meine kleine müßige Welt oft genug angekreidet", verwahrt sich Francoise. "Das ist für mich aber kein Grund, meine beiden erschöpften Schweden auf dem Altar der Kritik zu opfern." Sie droht, sie werde "ein andermal von Lohntüten und Normalmenschen reden".

Als Ernährer ihrer müßigen Anormalmenschen bietet sie vorläufig ein Ehepaar Jedelman an. Die alternde Frau Nora, deren Haut sich "wie eine zu detaillierte Michelin-Landkarte" runzelt, verführt Sébastien auf einem senffarbenen Sofa in ihrer Wohnung, Avenue Montaigne -- "und die teuersten Jacketkronen von New York verbissen sich in seinen Zähnen".

In der Jedelman-Villa an der Côte d"Azur verleben die Geschwister billig einen teuren. Sommer. Nach dem Schwimmen ziehen sie sofort ihre Rollkragenpullover über die einteiligen Badeanzüge und fliehen die Sonne -- an nützlichen Hinweisen für Snobs läßt es die Sagan nie mangeln. Sébastien nimmt zerstreut Frau Noras Geschenke an und ist ein höflicher Liebhaber. Francoise Sagan: "Niemand ist gut im Bett, außer man liebt und wird geliebt -- zwei selten erfüllte Bedingungen."

Wieder in Paris, hilft den auch nicht mehr jungen Schweden ein homosexueller Public-Relations-Mann namens Robert weiter. Als Eléonore ihm einen hübschen jungen Bruno abspenstig macht, bringt Robert sich mit Schlaftabletten um, nach einem letzten Mahl aus Kaviar und Caneton aux olives. Die Autorin, mit Selbstmorden im Freundeskreis vertraut, kommentiert die Konsequenz: "Ich habe also meine Helden in die infernalische Situation gebracht, sich für einen Tod verantwortlich zu fühlen. den sie keinesfalls gewollt und herbeigeführt haben."

Die Helden bewältigen die Situation mit saganöser Eleganz. Eleonore wird fortan Bruno meiden: "Sie konnte sich den Tod des Freundes nicht in den Armen des Henkers verzeihen, selbst wenn dieser ihretwegen zum Henker geworden war."

In diese minimale Roman-Affäre bettet Francoise Sagan nun ihre privaten Erkenntnisfrüchtchen. "Wenn ich daran denke", so schreibt sie beispielsweise, "daß es mein Schicksal ist, tun zu können, was ich will und wann ich will, und außerdem noch reichliche Mittel dafür zu haben, so könnte ich heulen."

Sonnige Strände. einst "meine Liebe und meine Beute", mag sie nun nicht mehr. Manchmal möchte sie dem Überdruß nach Indien entfliehen, doch sie befürchtet, daß "die Straßen der Hippies nicht befahrbar sind für einen Maserati". Was sie Rechtes über Linke denkt, will sie lieber für sich behalten: "Es ist allgemein bekannt: meine Unterschrift unter einem Manifest wirkt eher frivol." Sie warnt: "Alleine leben, wenn es unvermeidlich ist: ja. Aber nicht alleine schlafen." Und ziemlich oft erscheint ihr jetzt der Tod: "In Samt, mit Handschuhen. schwarz."

Es sei ihr, so memoriert die "Bonjour tristesse"-Erfinderin, vor 18 Jahren "nicht leichtgefallen, zwischen den beiden Rollen zu wählen, die sich mir anboten: der Skandalschriftstellerin und dem Bürgermädchen; denn ich war weder das eine noch das andere". Sie machte aus dem Dilemma. was ihr -- so sagt sie -- Spaß machte: "Ein Fest. Es war übrigens ein schönes Fest."

Eben das aber bezweifelt der "Figaro". "Es ist kein königliches Fest, was da weitergeht", schrieb das Pariser Blatt anläßlich des neuen Sagan-Romans, "es ist vielmehr das Leben einer alten Lebemännin" Die Autorin der "Blauen Flecken -- Titel-Erklärung im Roman: "Wenn wir nicht aufpassen. finden wir eines Tages unsere Seelen außer Atem und voller blauer Flecken, und diese haben wir verdient" -. die des Festlebens müde Francoise Sagan, erholt sich derzeit beim Reiten in Irland.

In Paris, wo auch ihre Freundesclique runzelt und schrumpft. wartet auf sie, was ihr verblieben ist: die 25 000-Franc-Monatsrente, die ihr der Verleger Flammarion anstelle von Tantiemen zahlt: ihr Sohn Denis, 11, und der Schäferhund Werther; ihre (zehnte) Wohnung in der Rue Guynemer am Luxembourg-Park. ein roter Lotus-Sportwagen und immer ausreichend Whisky. Francoise: "Er ist einer meiner treuesten Leutnants"